Haushaltsrede-FDP-Fraktionsvorsitzender Dr. Thomas Schell-Haushalt 2023-Ludwigshafen
(Stadtratssitzung Ludwigshafen - 15.3.2023
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, Herr Kämmerer Schwarz, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste der Stadtratssitzung,
die liberale Stadtratsfraktion bekennt sich zu Recht und Gesetz. Obgleich nach den Ausführungen unserer Oberbürgermeisterin der Stadtrat seit ca. 35 Jahren unausgeglichene Haushalte beschlossen hat, hat die FDP-Stadtratsfraktion solche Haushalte stets abgelehnt, da solche Haushalte dem Gesetz, ausgeglichene Haushalte vorzulegen, widersprechen. Solche unausgeglichenen Haushalte widersprachen auch stets dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit, da weder der Stadtvorstand noch die Mitglieder des Stadtrats den Bürgerinnen und Bürgern erklären konnten, wie der Milliardenberg an Schulden abgetragen werden kann. Die Verletzung der sozialen Generationengerechtigkeit stellt zugleich einen Verstoß gegen das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip dar. Was sozial gerecht ist geben aber stets andere Parteien im Stadtrat vor, ohne zu erklären, was an ihrer Politik haushälterisch sozial ist oder nicht!
Mit Erstaunen und Befremden hat die liberale Stadtratsfraktion stets die Argumentation der Oberbürgermeisterin zur Kenntnis genommen, Einsparungen seien nicht möglich. Unsere Kritik, dass die ADD stets die gesetzeswidrigen Haushalte in der Vergangenheit genehmigte, nunmehr aber endlich sich selbst an Gesetz und Recht halten will und die Genehmigung für den Haushalt 2023 versagte, begrüßen wir. Wir begrüßen es auch, dass nach Auffassung des Stadtvorstandes Einsparungen nun doch möglich sein sollen – eine Kehrtwende, die zwar viel zu spät kommt, aber hoffen lässt. Deshalb richtet die liberale Stadtratsfraktion an alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen den Appell, soziale Ungerechtigkeit gegenüber den kommenden Generationen zu beenden. Lasst uns den Kämmerer nach Kräften unterstützen, binnen 10 Jahren endlich einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen!
Doch was bedeutet diese Kehrtwende für unsere Stadtgesellschaft: Die Stadtgesellschaft muss nolens volens akzeptieren, dass die bisherige Politik von SPD und CDU eine quasi sozialistische Mangelwirtschaft herbeigeführt hat und schmerzliche Einschnitte ertragen werden müssen. Damit wird eine „Zeitenwende“ vollzogen werden: Nichts wird mehr so sein, wie es früher einmal war! Demokratische Prozesse werden nicht mehr im Stadtrat vollzogen werden. Indes: Allein die ADD wird – wie bereits von der ehemaligen Vizepräsidentin der ADD Frau Begona Hermann angekündigt - Vorgaben wie Steuererhöhungen, Abgabenerhöhungen, Ausgabensperren der Verwaltung und dem Rat diktieren und von diesem Diktat die Zustimmung zum Haushalt abhängig machen, obgleich allein das Land gegen das verfassungsrechtlich geschützte Konnexitätsgebot verstößt – was eine Erpressung! Wie tief sind wir gefallen, wenn das Land selbst gesetztes Verfassungsrecht mit Füßen tritt und im Begriff ist, Demokratie auf kommunaler Ebene abzuschaffen. Wir Liberalen fragen Sie daher: Wie lange wollen Sie diesem bösen Spiel noch zuschauen und weshalb sind Sie nicht bereit, sich durch eine Klage endlich zu wehren? Wovor haben Sie Angst, wenn unsere Stadt und die Demokratie auf dem Spiel stehen?
Zum vorgelegten Haushalt und den verschiedenen Sparlisten nehmen wir Liberalen in concreto wie folgt Stellung:
Echtes Sparen ist, wenn kein Geld ausgegeben wird. Wenn aber ausweislich der Sparlisten Investitionen nur hinausgezögert werden, kann kein Sparwille erkannt werden. Indes: Es stellt eine haushälterische Heuchelei dar, die nur eine Verzögerung des gleichbleibenden Problems darstellt.
Die Sparlisten enthalten 351 sog. Sparvorschläge mit einem Gesamtvolumen von 43,5 Mio. Euro. 46 Sparvorschläge der Verwaltung ergeben Einsparungen von „sage und schreibe“ € 905,00 pro Jahr. 125 Sparvorschläge erreichen ein jährliches Einsparpotential von € 17.400,00. Den Sparlisten sind zahlreiche Sparvorschläge mit jährlichen Einsparpotentialen von € 2,00 zu entnehmen. Wir liberalen Fragen uns daher, ob die Verwaltung den Rat dieser Stadt „auf den Arm“ nehmen möchte – oder hat die Verwaltung die dramatischen Verhältnisse unseres Haushaltes überhaupt nicht erkannt? Hieraus wird zudem deutlich: Die Verwaltung ist nicht ansatzweise bereit, konstruktive Einsparstrukturen zu erarbeiten, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erzielen. Mehrfach hatte in der Vergangenheit die liberale Stadtratsfraktion darauf hingewiesen, dass die Kosten für Personal den Haushalt erdrücken. Auch die ADD hat dies in ihrer letzten Haushaltsverfügung vom 17.06.2022 zu Recht massiv kritisiert. So heißt es in der Verfügung auf S. 6 wörtlich:
„Im Jahr 2022 werden im Kernhaushalt insgesamt 3.353,81 Stellen ausgewiesen. Im Vergleich zum Stellenplan 2021 wurden damit 203,05 Vollzeitäquivalente neu geschaffen. Auf 10.000 Einwohner kommen damit im laufenden Haushaltsjahr 192 Stellen – zum Vergleich: in 2013/2014 rund 156 Stellen. Der Personalaufwand je Einwohner beträgt in diesem Jahr rund € 1.180,48. Im Vergleich mit den anderen meiner Aufsicht unterliegenden kreisfreien Städten liegen die Werte beider Kennzahlen weiterhin außerordentlich hoch …… Ich bin jedoch der Auffassung, dass die relative Höhe der Personalaufwendungen (im Verhältnis zu den Einwohnern oder dem Gesamthaushaltsvolumen) bei defizitären Kommunen einen ersten Anhaltspunkt für einen etwaigen bestehenden Konsolidierungsbedarf in diesem Bereich darstellt. Meine Feststellungen bitte ich daher als Indiz und Aufforderung an die Stadtverwaltung und den Stadtrat zu betrachten, dieser durch weitergehende eigene Überprüfungen nachzugehen und den Personalbereich systematisch in die Haushaltskonsolidierung einzubeziehen. Ferner gilt es weiterhin, die Erforderlichkeit jeder einzelne zusätzlich geschaffenen Stelle vor deren Besetzung kritisch zu hinterfragen.“
Um Fit für die Zukunft zu sein, fordern wir eine Neuausrichtung der Stadtverwaltung mit Fokussierung auf die Kernaufgaben, Prozessoptimierungen und Entbürokratisierung.
Bis zum Jahr 2030 werden ca. 40% der städtischen Mitarbeiter altersbedingt aus dem Dienst ausscheiden. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt mit dem Fachkräftemangel ist bekannt. Hier ist ein langfristiges und schlagkräftiges Konzept für die Neuausrichtung der Stadtverwaltung ohne Denkverbote notwendig. Insbesondere soll das vor Jahren abgeschlossene Projekt „Neue Ressourcensteuerung“ umgesetzt werden.
Wir erinnern, dass die Empfehlung von Pricewaterhouse Coopers damals auf 4 strategischen Pfeilern basierte:
• Technik (E-Government);
• Organisation (Strukturen in der Verwaltung);
• Arbeitsabläufe (Prozessoptimierung) und
• Personalentwicklung (Qualifikation und Weiterbildung).
Zusätzlich fordert die FDP -Stadtratsfraktion die Etablierung einer „Zukunftskommission Verwaltung 2030“, die aus Vertretern der Verwaltung und den Fraktionen besteht. Zu den Aufgaben dieser Kommission zählt die Erarbeitung eines langfristigen Konzeptes auf Basis der Erkenntnisse von PWC (diese hatten bis 2017 über 3 Jahre die Verwaltung analysiert und insgesamt 390.000€ gekostet) mit den Schwerpunkten wie Digitalisierung, Fokussierung auf die Kernaufgaben, Qualifizierungsoffensive in verschiedenen Ausprägungen, Benchmark mit anderen Kommunen, Zusammenarbeit mit anderen Kommunen für gleiche Tätigkeiten (also Shared Service Center), etc.
Dieser Antrag, der die konzeptionelle Ausrichtung der Verwaltung im Hinblick auf den personellen Aufwand für die kommenden Jahre konkret darlegt, wurde vom Stadtvorstand nicht angenommen, da der Antrag in das Recht des Stadtvorstandes eingreifen würde, organisatorische Maßnahmen selbst festzulegen.
Ein Schelm der Böses dabei denkt: Unsummen wurden vom jetzigen Stadtvorstand und dem vorhergehenden Stadtvorstand für eine Benchmark-Studie und für eine Neue Ressourcensteuerung ausgegeben. Ziel war das kritische Hinterfragen, mit wieviel Personal u.a. auch Pflichtaufgaben bewältigt werden können, wie Personalstrukturen gebündelt werden können, um Synergieeffekte zu erzeugen, um so die Verwaltungsarbeit effektiv zu gestalten und um „echt“ zu sparen. Keine der Studien wurden zu Ende geführt, geschweige denn Erkenntnisse aus diesen umgesetzt. Damit wird deutlich: Echter Einsparwille ist „eigentlich“ nicht vorhanden. Der Stadtvorstand hat nicht den Mut, große Ausgabenblöcke wie Personalausgaben, Ausgaben für die digitale Infrastruktur, Gebäudemanagement etc. ergebnisoffen auf den Prüfstand zu stellen, damit das Ziel des ausgeglichenen Haushalts erreicht wird. Von daher fordern wir Liberale, dass der Stadtrat dem Stadtvorstand endlich Mut verleiht, Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen mit Konzept und Struktur vorzulegen. Deshalb sollte heute der Stadtrat dem Stadtvorstand deutlich signalisieren: Kleckern hilft wenig. Das Problem muss von der Wurzel herangegangen werden und das Verschwenden von Unsummen in eigentlich nicht gewollte Studien muss beendet werden. Es gilt: Erst grübeln und dann dübeln!
Die liberale Stadtratsfraktion hält es deshalb auch nicht für geboten, Einsparungen zu generieren, um das Sleep in und Ortsbüchereien als wichtige Bildungseinrichtungen zu schließen. Wir werden es nicht hinnehmen, wenn an der maroden Verkehrsinfrastruktur gespart werden soll. Mit Erschrecken mussten wir von der Oberbürgermeisterin erfahren, dass im Stadtvorstand erwogen wird, die seit Jahr und Tag beschlossene Stadtstraße Nord „zu begraben“. Dies würde nämlich bedeuten, unseren Industriestandort, unsere Metropolregion und damit tausende von Arbeitsplätzen zu gefährden, was keiner wirklich wollen kann.
Indes: Die Vorschläge der Einsparliste kann die liberale Stadtratsfraktion mittragen, sofern das Sleep in, unsere Ortsbüchereien, unsere Bildungseinrichtungen einschließlich der Kitas und unsere Verkehrsinfrastruktur nicht „angetastet“ werden. Wir schlagen vor, dass sowohl der Stadtvorstand und die Stadträte „am eigenen Leibe“ sparen, indem wir Stadträte auf einen Teil der uns zustehenden Aufwandsentschädigungen und der Stadtvorstand auf einen Teil seiner Bezüge verzichtet.
Wir fordern weiter, dass die Fraktionen im Stadtrat kontinuierlich in die Haushaltskonsolidierungen einbezogen werden, um das Ziel des ausgeglichen Haushalts zu erreichen.
Und zum Schluss: Wir Liberalen wären auch bereit, dem jetzigen Haushalt unter der Prämisse zuzustimmen, sofern ein ausgeglichener Haushalt in 10 Jahren vorgelegt werden wird und der Stadtvorstand darlegt, in welcher Höhe in Euro das Land gegen das Konnexitätsgebot verstößt. Erreicht nämlich diese Summe eine Höhe, bei der der Haushalt als ausgeglichen erschiene, liegt der Ball nicht mehr beim Rat, sondern allein beim Land.
Glück auf!
Dr. Thomas Schell
Vorsitzender der FDP-Stadtratsfraktion